20.03.2024 Polizei vorm Klassenzimmer: wie eine 16-jährige im Kampf „gegen Rechts“ unter die Räder kam
Am 27.02.2024 wurde am Richard-Wossidlo-Gymnasium im ostdeutschen Ribnitz-Damgarten eine 16-jährige Schülerin von ihrem Schulleiter aus dem Chemieunterricht geholt.
Begleitet wurde der Pädagoge von drei Polizeibeamten, die auf dem Gang warteten und die sich deshalb in der Schule aufhielten, weil er selbst sie gerufen hatte. Der Anlass für seinen Anruf bei der Polizei soll eine anonyme E-Mail gewesen sein, die die Schule erreicht hatte. Darin wurden Postings des Mädchens auf der Internetplattform Tiktok kritisiert.
Die Beamten hielten der Schülerin, der sie kein strafbares Verhalten vorwarfen, dennoch eine „Gefährderansprache“ vor. Laut Innenministerium ist das ein «normenverdeutlichendes Gespräch», welches aufzeigen soll, dass es „durchaus Straftatbestände gibt“.
Die Polizeiinspektion Stralsund bestätigte inzwischen, dass es um andere Postings gegangen sei, zum Beispiel Slogans wie „nix yallah yallah“, „in Deutschland wird Deutsch gesprochen“ oder „heimat, freiheit, tradition/multikulti endstation“. Auch zeige ein Foto die Schülerin in einem Oberteil mit den Buchstaben HH auf der Brust. Diese Abkürzung kann für „Heil Hitler“ stehen.
Es habe sich dabei um eine Daunenjacke des Herstellers „Helly Hansen“ gehandelt, sagt die Mutter des Mädchens. Das Logo des Herstellers sind die Initialen HH.
Quelle: nzz.ch/international/polizei-im-klassenzimmer-ging-es-wirklich-nur-um-ein-schlumpf-video-ld.1822886
23.12.2023 Im Herbst 2023: Polizei in Magdeburg erhielt Warnung vor Taleb A. – und hat nicht geantwortet
Sachsen-Anhalts Polizei hat bereits vor mehr als einem Jahr einen Hinweis zum späteren mutmaßlichen Attentäter von Magdeburg erhalten – und offenbar nicht beantwortet. Das ist das Ergebnis von MDR-Recherchen am Montag. Demnach kam der Hinweis zu Taleb A. im September 2023 von der gleichen Person, die zuvor bereits das „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ und die Polizei Berlin kontaktiert hatte.
Beide Behörden erklärten sich für nicht zuständig: Das BAMF verwies an die Berliner Polizei; die Berliner Polizei schickte die Hinweisgeberin zur Polizei Magdeburg.
Wie die Hinweisgeberin sagte, hat sie – anders als vom BAMF und der Polizei in Berlin – von Sachsen-Anhalts Polizei aber nie eine Antwort erhalten. Ihre Meldung hatte demnach die Bitte enthalten: „Please answer, it’s very urgent“ – auf Deutsch: „Bitte antworten Sie, es ist sehr dringend.“
Die Hinweise wurden allen drei Behörden den Informationen zufolge über soziale Netzwerke übermittelt, im Fall der Magdeburger Behörde per Instagram-Direktnachricht. Screenshots davon liegen dem MDR vor.
Sie enthalten den vollständigen Namen, den Wohnort und das Geburtsdatum von Taleb A. – sowie einen Hinweis auf einen Tweet, mit dem dieser seine Follower fragte, ob sie ihn verantwortlich machen würden, wenn er 20 Deutsche töten würde.
Bereits am Sonntag waren Fragen lauter geworden, was den Umgang der Sicherheitsbehörden mit Taleb A. betrifft: MDR-Recherchen hatten gezeigt, dass dem 50-jährigen Saudi bereits Monate vor dem Anschlag eine schriftliche Gefährderansprache zugekommen war. Das entsprechende Dokument liegt vor.
In der schriftlichen Gefährderansprache wird aus einer E-Mail von Taleb A. an die Kölner Staatsanwaltschaft zitiert, in der es heißt: „Daher habe ich kein schlechtes Gewissen für die Ereignisse die in den nächsten Tagen passieren werden (…).“
Durch die Behörden waren die Worte offenbar als abstrakte Drohung gewertet worden. In dem versandten Gefährderanschreiben heißt es dazu:
„Auch wenn Sie in diesem Fall keine konkreten Konsequenzen angedroht haben, werden Sie hiermit aufgefordert Schreiben in dieser Form zu unterlassen. Diese könnten unter Umständen strafrechtliche Konsequenzen mit sich ziehen.“
Taleb A. im September 2023 und Oktober 2024 insgesamt zwei Gefährderansprachen unterzogen worden – einer im Revier im Salzlandkreis, einer anderen an seiner Arbeitsstelle.
Die Polizei habe nach einem Post von Taleb A. im Dezember 2023 Ermittlungen gegen den Mann aufgenommen. Auch in diesem Zusammenhang sei versucht worden, den mutmaßlichen Täter einer Gefährderansprache zu unterziehen.
Polizisten hätten Taleb A. aber weder am 02.12.2023 noch am 04.12.20232023 angetroffen. Das Verfahren sei später eingestellt worden. Ob die Gefährderansprache vor wenigen Monaten in diesem oder einem Zusammenhang erfolgt ist, blieb offen.
Eine Gefährderansprache können Polizeibehörden vornehmen, wenn Menschen noch nicht straffällig geworden sind. Dafür müssen konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen könnte.
Quelle: mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/anschlag-taeter-polizei-gefaehrder-hinweis-102.html