„Symbolpolitik auf Sandkastenniveau“

26.05.2025 Otto-Wels-Saal: Revierkämpfe wie auf einer Hundewiese
 
Monatelang hatten sich AfD und SPD um einen Sitzungssaal im Bundestag gestritten. Vor wenigen Tagen dann die Entscheidung des Ältestenrats: Die SPD darf im sogenannten Otto-Wels-Saal bleiben, die AfD zieht in den ehemaligen Fraktionssaal der FDP.
 
Dieser ist allerdings deutlich kleiner. 462 Quadratmeter für 120 SPD-Abgeordnete, 251 Quadratmeter für 151 AfD-Abgeordnete. Das klingt schon disproportional – und ist es auch.
 
Zum Vergleich: In deutschen Schulen sind immerhin 2 Quadratmeter pro Schüler vorgesehen. Die AfD bekommt gerade einmal 1,66 Quadratmeter pro Kopf. Willkommen im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat, und im politischen Berlin 2025. Statt Fairness und politischer Reife herrschen Revierkämpfe wie auf einer Hundewiese.
 
Was wir hier erleben, ist kein gelebter Antifaschismus, der Deutschland vor einem drohenden vierten Reich retten soll. Es ist Symbolpolitik auf Sandkastenniveau.
 
Wie sieht der nächste Punkt auf der Maßnahmenliste zur „Faschismusbekämpfung“ aus? Heizung im AfD-Raum abdrehen? Nur noch nährstoffarme Mahlzeiten in der Kantine? Oder gleich ein paar Stuhlbeine ansägen?
 
Im Kampf um den angestammten Raum bezogen sich die SPD und ihr Umfeld in den vergangenen Monaten immer öfter auf den Namensgeber ihres bisherigen Fraktionsaals. Nur hat Otto Wels herzlich wenig mit der Raumzuteilung im Jahr 2025 zu tun – und in der Debatte überhaupt nichts zu suchen.
 
Die SPD verweist auf „sachlich-fachliche Gründe“, die die Entscheidung des Ältestenrats erklären würden. Wie diese „sachlich-fachlichen“ Gründe das Prinzip „Mehr Menschen, mehr Platz“ außer Kraft setzen sollen, ist bislang allerdings noch unklar.
 
Außerdem wurde inzwischen bekannt, dass SPD-Mann Dirk Wiese mit der Großnichte von Otto Wels telefoniert habe. Die sei auch erleichtert gewesen, heißt es in diversen Berichten. Das wirkt schon fast satirisch, denn Fakt ist: Den „Otto-Wels-Saal“ gibt es offiziell gar nicht.
 
Es handelt sich schlicht um Raum 3-S-001 im Bundestag. Hier wurde Otto Wels weder begraben, noch ist dort einzig von ihm geweihter heiliger Boden zu bestaunen. Fraktionen dürfen intern Namen vergeben – das war’s.
 
Die SPD kann also auch ihren neuen, deutlich angemessener dimensionierten Raum problemlos wieder „Otto-Wels-Saal“ nennen und die Großnichte von Wels zur Neueröffnung einladen. Es existiert nicht einmal ein offizielles Namensschild, und ein entsprechendes Porträt – der Grund für die SPD-interne Namensgebung – kann man auch umhängen.
 
Es geht in diesem Fall eben nicht um „unsere“ Demokratie, den Verfassungsschutz oder das große Erbe von Otto Wels. Es geht um Machtspielchen und das verletzte Ego der SPD.
 
Wer sich diesem Mindestmaß an Spielregeln verweigert, der verweigert auch den politischen Diskurs. Und genau dieses Verhalten sehen wir seit Jahren im Bundestag.
 
Der aktuelle Politikbetrieb in Berlin wirkt dabei zunehmend wie ein geschlossener Zirkel aus Menschen, die im Alter von 14 Jahren Parteijugend-Kugelschreiber verteilt haben, mit 16 die Aktentasche vom Kreisvorsitzenden trugen – und heute lieber moralisch einwandfrei untergehen, als auch nur einen Millimeter über ihren Schatten zu springen.
 
Das Ganze ist kein antifaschistischer Triumph, sondern ein unwürdiger, peinlicher Kindergarten.
 
Der besonnene Staatsmann Otto Wels hätte diesen Streit wohl selbst als erstes beendet und sich wirklich wichtigen Themen gewidmet – im Namen der politischen Verantwortung.

 
Quelle: cicero.de/innenpolitik/streit-um-saalverteilung-im-bundestag-spd-afd-otto-wels-saal (Abo)
 

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