Simulation demokratischer Verhältnisse

07.10.2023 Parlamentarische Sprechblasen
 
Früher ging es hoch her im Hohen Haus, wenn prägnante Köpfe sich ebendiese in oftmals aggressiven Wortgefechten heißredeten. Man stritt, jedoch mit einiger Substanz. Heute herrscht eher das Bild einer De-facto-Einheitspartei, die durch inszenierte Scharmützel über Geschmacksnuancen demokratische Verhältnisse zu simulieren versucht.
 
Über die ungefähre Marschrichtung sind sich ohnehin alle längst einig: weniger Freiheit für die Bürger, mehr Krieg und die Ausplünderung des Landes durch mächtige Eliten. Wenn in diesem domestizierten Debattierklub noch irgendwo wirkliche Feindseligkeit mitschwingt, dann richtet sie sich gegen die Bürger.
 
Das Theater, das man aus unerfindlichen Gründen „Politik“ nennt, hat manchmal etwas Unwirkliches, vor allem im Sommer und noch mehr im Rückblick auf diesen. Zum Beispiel kann ich mir nicht vorstellen, weshalb und zu welchem Zweck sich jemand bei dreißig Grad in die pralle Sonne am Marienplatz stellt, um sich von dem Typen, der vor zwei Jahren sein selbstzufriedenes, überhebliches Blecken auf Plakaten mit der Drohung „Respekt für dich“ unterschreiben ließ, als „gefallener Engel aus der Hölle“ beschimpfen zu lassen.
 
Abgesehen davon, dass ein sogenannter Wahlkampf immer ein peinliches und entwürdigendes Schauspiel ist, vor allem in Zeiten wie diesen, wo zwar Wahlen stattfinden (sollen), man aber eine Wahl — im Sinne konkurrierender Interessen, Ideen und Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme — in keiner Weise hat, sondern bloß irgendeine vorgefertigte Namensliste ankreuzen darf, um hinterher zu erfahren, was „alternativlos“ ist und wozu man folglich gezwungen werden muss.
 
Abgesehen davon ist selbstverständlich das Schimpfen schon immer Bestandteil der Politik. Es gab große Meister dieser Disziplin, die sich die abwegigsten Bezeichnungen für ihre jeweiligen ideologischen Konkurrenten einfallen ließen — vom „Düffel-Doffel“ (Herbert Wehner) bis zum „rotlackierten Faschisten“ (Franz Josef Strauß). Es gab auch untalentierte Parvenüs wie Josef Fischer, der die Bemerkung „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch“ für originell oder frech hielt.
 
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