14.07.2023 Typisch deutsch: Ist Eis essen im Freien obszön?
Darf man es anstößig finden, in der Öffentlichkeit eine Kugel Eis zu schlecken? Man darf, doch in München sollte man sich daran gewöhnen.
Ibrahim war es zu heiß – und so setzten wir uns auf eine Bank im Schatten. Als wir so dasaßen und uns von der Sonne erholten, kamen zwei junge Frauen des Weges, betraten das Lädchen und kehrten mit je einer Kugel Eis in der Waffel zurück. Genüsslich und in aller Ruhe taten sich die Frauen an ihren Eiskugeln gütlich. Ganz anders Ibrahim: der wurde plötzlich unruhig.
Manchmal nimmt man die Dinge des Alltags fälschlicherweise als selbstverständlich hin. Es ist ja noch nicht lange her, da hätte mir diese Situation erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Eine Frau, die in meiner Sichtweite an einer Kugel Eis leckt. Einige Jahre lang hat mir in solchen Momenten die Schamesröte die Wangen gefärbt. Nun wurde der Kopf meines neu angekommenen Kumpanen zum Erdbeereis.
In vielen konservativen Gesellschaften, dazu zählt Syrien in gewissem Sinn definitiv, wird – speziell von Frauen – erwartet, dass sie in der Öffentlichkeit eine zurückhaltende und respektvolle Haltung zeigen. Das Verspeisen von Speiseeis und anderen Mahlzeiten, die als phallisch geformt angesehen werden könnten, würden als provokant oder anstößig empfunden werden. Eine Banane sollte deswegen vor dem Verzehr in Scheibchen geschnitten werden, für Karotten gilt ähnliches, was schade ist, wo sie beim Reinbeißen so schön knacken.
Quelle: sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-eis-kolumne-1.6025837
Der Verfasser dieses Artikels über „züchtiges Verhalten“, Mohamad Alkhalaf, beschreibt am Ende noch, welche Eissorten er bevorzugt. Das kann man getrost als „nichtssagendes Addendum“ abhaken. Der verklausulierte Inhalt, in dem sein „Freund Ibrahim“ als Ausrede für die Kritik am „obszönen Verhalten“ der beiden Frauen dient, reicht aus, um zu erahnen, wessen Geistes Kind der Kerl ist.
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