Das Brüsseler Imperium ist wieder einmal „besorgt“

04.11.2025 Datenhändler verkaufen metergenaue Standortdaten von EU-Personal
 
Dem Recherche-Team liegen Datensätze von mehreren Datenhändlern vor. Databroker verschenken sie als Kostprobe – als Vorschau auf kostenpflichtige Abos. Für diese Recherche haben wir zwei neue Datensätze ausgewertet, die rund 278 Millionen Handy-Standortdaten aus Belgien beinhalten.

 

„Handy-Standortdaten“ ist mir zu ungenau. Es müsste „Smartphone-Standortdaten“ heißen. Die meisten Smartphone-Nutzer haben, um bestimmte Apps zu nutzen, die Standortanfrage freigegeben. „Google Maps“ kann man z.B. als Routenplaner ohne punktgenauen Standort gar nicht nutzen.
 
Bei Handys läuft das wesentlich ungenauer über Funkzellen. Heißt: Der Provider weiß im Groben, wo man sich befindet, aber nicht, ob man sich im „Cafe Beste Bohne“ oder im daneben liegenden Etablissement „Zur roten Laterne“ aufhält. Dazu müsste man den Standort über drei Funkmasten triangulieren, was zu aufwändig ist. Das gilt übrigens auch für Smartphones mit ausgeschalteter Standortabfrage.
 
Aber gut: Wer nutzt heutzutage noch ein klassisches Handy (außer der Betreiberin dieses Blogs) oder hat die Standortabfrage permanent abgeschaltet?

 

Jeder Standort ist einer Werbe-ID zugeordnet. Das ist eine einzigartige Kennung, wie ein Nummernschild fürs Handy. So lassen sich die Bewegungen bestimmter Geräte genau verfolgen – und damit die Gewohnheiten ihrer Besitzer.
 
Rund 2,6 Millionen Werbe-IDs allein aus Belgien stecken in den uns vorliegenden Daten, datiert auf wenige Wochen in den Jahren 2024 und 2025. Es sind 2,6 Millionen Nadelstiche für den Datenschutz in Europa.
 
Im Dezember 2015 einigten sich das Europäische Parlament, der Rat und die EU-Kommission auf den Text der Datenschutzgrundverordnung. Sie sollte den Schutz von Grundrechten in der digitalen Welt mit einer datenbasierten Wirtschaft in Einklang bringen. Und sie kam mit dem Versprechen der informationellen Selbststimmung: Dass Menschen in der Regel selbst die Hoheit darüber haben sollen, wer was mit ihren Daten anstellt.

 

Versprochen haben die viel. Gehalten haben die sich an wenig bis gar nichts.

 

Dieses Versprechen ist bis heute nicht eingelöst. Stattdessen enthüllen die Databroker Files einen beispiellosen informationellen Kontrollverlust, der alle Menschen treffen kann, die am digitalen Leben teilnehmen, indem sie Apps auf Smartphones oder Tablets nutzen.

 

Wenn man etwas nutzt, gehört zu dieser Nutzung auch Eigenverantwortung. Aber es ist ja viel komfortabler, wenn man jemanden hat, der einem das Denken abnimmt.
 
Aber selbst wenn jemand warnt (was ich oft genug in meinem Umfeld getan habe), wurde meistens abgewunken. Bequemlichkeit und Datenschutz schließen sich jedoch aus. Inzwischen habe ich das aufgegeben.

 

Längst ist der unkontrollierte Datenhandel nicht mehr nur ein Thema für den Verbraucher- und Grundrechteschutz, sondern auch eine Bedrohung für die Sicherheit Europas.

 

Es folgt das übliche „die bösen Russen spionieren uns aus“.
 
Wie war das nochmal unter der Obama-Regierung inklusive der lapidaren Stellungnahme unser damaligen GröKaZ? Ausspähen unter Freunden geht gar nicht? Wer glaubt denn ernsthaft, dass uns „unsere Freunde“ nicht mehr ausspionieren?
 
Es sei denn, die im Artikel genannten Datenhändler sitzen ausschließlich in Russland, was ich bezweifle.

 

Wie groß die Gefahr ist, die hierbei von kommerziell gesammelten Daten ausgeht, haben Verantwortliche bislang offenbar nicht ausreichend auf dem Schirm. Konfrontiert mit den Ergebnissen unserer Recherchen teilt die EU-Kommission mit:
 
„Wir sind besorgt über den Handel mit Standortdaten von Bürgern und Angestellten der Kommission“.

 

Nun ja! So wie die GröKaZ 2013 das Internet als Neuland entdeckte, entdecken im Jahr 2025 die Leuchten in Brüssel, dass es Gruppen gibt, die Daten sammeln. Was soll man dazu noch sagen?

 

Auch aus dem EU-Parlament gibt es Reaktionen.
 
„Angesichts der aktuellen geopolitischen Lage müssen wir diese Bedrohung sehr ernst nehmen und abstellen“, schreibt Axel Voss (CDU) von der konservativen Fraktion EVP.

 

„Müssen wir ernst nehmen“? Wieso nicht „nehmen wir ernst“? Man hat den Eindruck, das Thema ist unangenehm, man sieht sich aber gezwungen, drauf zu reagieren.

 

Aus der sozialdemokratischen Fraktion S&D fordert Abgeordnete Lina Gálvez Muñoz aus Spanien, die EU solle das Thema „als vorrangige Sicherheitsbedrohung behandeln – nicht nur als Datenschutzproblem“.

 

Noch ein Konjunktiv fürs Phrasenschwein.

 

Die Abgeordnete Alexandra Geese aus Deutschland (Greens/EFA) fordert mit Blick auf die militärische Bedrohung durch Russland: „Europa muss die massenhafte Erstellung von Datenprofilen verbieten.“

 

Was hat das Erstellen von Datenprofilen mit einer „militärische Bedrohung durch Russland“ zu tun? Nix! Aber Hauptsache, man kann mal wieder Propaganda rausrotzen.
 
Und – typisch Grüne – ein passendes Verbot darf auf keinen Fall fehlen.

 

Hört man sich im politischen Brüssel zu den Databroker Files um, erlebt man oftmals überraschte oder nervöse Reaktionen. Selbst hochrangige Angestellte, die sich mit Datenschutz und Digitalem beschäftigen, hätten nicht erwartet, wie exakt die offen gehandelten Handy-Standortdaten sind.

 

Schon vor Jahren gab es diesbezügliche Berichte im Fernsehen – zumindest bei uns. Und plötzlich ist die Datenkrake „überrascht“ und „besorgt“, weil es auch andere Datenkraken gibt?
 
Diese Mischpoke ist so nützlich wie ein Sandkasten in der Wüste.
 
#JustMy2Cent

 
Quelle: netzpolitik.org/2025/databroker-files-datenhaendler-verkaufen-metergenaue-standortdaten-von-eu-personal
– gefunden bei Danisch.de
 

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