Die sogenannte Corona-Pandemie hat sich schon recht früh für einige Mitmenschen zur Ersatz-Religion entwickelt. Den Anfang machte der Tagesspiegel am 12.04.2020.
Die Macht des Unsichtbaren: Was sich unseren Blicken entzieht, ist heilig oder teuflisch.
Auch das Virus kann man nicht sehen, nicht riechen, nicht anfassen. Die Hoffnung, die Gefahr, der Erlöser, die Krankheit, all dies entzieht sich den Blicken.
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Ob der Messias oder Viren, Nanoteilchen, Gase, Radioaktivität: Das Unsichtbare ist heilig oder teuflisch, göttlich oder giftig, verborgene Allmacht oder mörderische Bedrohung.
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Wir wollen uns partout ein Bildnis machen. Aber wir dürfen oder können es nicht. Wegen des ersten Gebots, Gott stellt sich im Alten Testament als der Unvorstellbare vor.
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Mit Corona ist es genauso: Der Himmel ist klar, der Frühling schickt linde Lüfte, aber wer weiß, was tief im Rachen steckt. Infektiös, virtuell, viral, es ist nicht zu fassen. Wer infiziert ist, lässt nicht unbedingt Symptome erkennen, das verdoppelt die unsichtbare Gefahr.
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Ausgesetzt, das sind auch die Aussätzigen, die aus der Gesellschaft weggesperrt wurden. Die Pest- und Leprakranken wurden auf Inseln verbracht, aus den Augen, aus dem Sinn. Jetzt, wegen Corona, ist jeder eine Insel. Wir sperren uns selber weg, um sicherzugehen. Und sehnen uns nach dem Verborgenen, dem Abwesenden, wie sich das Kind nach der Mutter sehnt, beim Freud’schen Fort-Da-Spiel. Wie die Frauen am leeren Grab [Jesus].
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Der unsichtbaren Gefahr begegnen wir, indem wir uns freiwillig in die Abwesenheit begeben. Wir machen uns rar – in der Hoffnung, eines nicht allzu fernen Tages wieder da sein zu dürfen. Es wird eine Feier der Anwesenheit.
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Artikel, der prall gefüllt ist mit religiösen Metaphern und Begriffen.
Weiter ging es mit folgenden Schlagzeilen:
15.12.2020 Idea
Corona: Für fast 40 Prozent ist die Impfung ein Akt der Nächstenliebe.
19.03.2021 Merkurist
Biontech-Gründer Sahin und Türeci jetzt geimpft
„Dass wir das am Ende geschafft haben, ist eine Gnade und wir sind sehr glücklich, dass wir jetzt so vielen Menschen durch unsere Impfung helfen können, wieder Freiheit zu gewinnen.“
03.05.2021 Katholische-Sonntagszeitung
Bischöfe und Religionsvertreter rufen zum Impfen auf
Limburger Bischof Georg Bätzing, im Rahmen einer Impfkampagne: „Na klar lass ich mich impfen, weil ich mit der Impfung nicht nur mich, sondern auch andere schütze.“ Impfen ist aus seiner Sicht ein konkreter Ausdruck von Nächstenliebe.
25.08.2021 Domradio
Vatikan beteiligt sich mit Video an Corona-Impfkampagne „Ein Akt der Liebe„
01.09.2021 Kirchenbote-Onlinee
Sich impfen zu lassen ist auch ein Akt der Nächstenliebe.
19.9.2021 Sonntag-Sachsen
Ein »Pieks« spaltet die Christen
Impfen: Nicht wenige Christen warnen mit drastischen Worten vor der Corona-Impfung und bezeichnen sie als »Werk der Finsternis«. Sind sie auch mitverantwortlich für die niedrige Impfquote in Sachsen?
Ich bezweifle stark, dass viele Menschen die Impfung als „Werk der Finsternis“ bezeichnen. Aber um die „Spaltung der Gläubigen“ anschaulich darzustellen, muss der Untergangs-Prophet nun mal sehr tief in die Drama-Kiste greifen.
Und wie Petrus, der bekanntermaßen Jesus verleugnete, werden auch Impf-Skeptiker als „Corona-Leugner“ stigmatisiert. Weil sie anzweifeln, dass die Impfung tatsächlich die Erlösung von allem Übel ist.
In der heutigen Zeit wenden sich immer mehr Menschen von den Kirchen und dem Glauben an Gott ab. Man kann darüber streiten (oder auch nicht), ob dies einer Gesellschaft, deren Wurzeln tief im Christentum verankert sind, eher nutzt, eher schadet oder nichts anhaben kann. Aber wenn sich eine Gesellschaft schon einen Ersatz sucht, wieso – zum Teufel – muss es dann ausgerechnet eine Krankheit sein?
Die nächste Frage, die sich stellt, ist: Wohin soll das noch führen? Inzwischen nimmt diese Ersatz-Religion schon wahnhafte Züge an. Die Inquisition ist nicht mehr sehr weit. Virtuelle Hexenjagden und Kreuzigungen gibt es ja bereits.