Rant einer ehemaligen Pflegekraft

Werte Damen und Herren, jetzt reicht’s mir!
 
Glauben Sie es oder glauben Sie es nicht: Ich bin selbst gelernter Krankenpfleger, habe den Beruf allerdings bereits vor 13 Jahren verlassen, da die Arbeitsbedingungen bereits damals übel waren. Miese Bezahlung, schlechte Work-Life-Balance durch Schichtdienst, Überstunden im 3-stelligen Bereich, Stress, Druck und das anhaltende Gefühl dennoch nicht genug geleistet zu haben. Das i-Tüpfelchen, dass das Maß jedoch voll machte, war das Mitte der 2000er aufkeimende „QM“. QM = Qualitätsmanagement, also ein System, das offiziell die Pflege verbessern und hochwertiger gestalten soll, real jedoch nichts anderes als Prozess- und vor allem Abrechnungsoptimierung bedeutet. Kurz: Mehr Schreibkram, mehr Regeln – weniger Zeit am Patienten.
 
Politisches Gelaber zum Thema „den Pflegeberuf attraktiver machen“ gab es schon damals in Hülle und Fülle: Laut & progressiv, vor allem aber inkonsequent und ineffizient – von Ulla Schmidt bis Daniel Bahr. Wenn ich mir vorstelle, dass eine Pflegekraft heute mit dem PKW um 4.45 Uhr in der Früh vom Land in die woke City düsen muss, da die „Provinzkliniken“ mangels ökonomischer Effizienz geschlossen wurden, die „Öffis“ aus gleichem Grund zu diesem Zeitpunkt noch nicht fahren, und man dafür – dem Klima zuliebe – auch noch 1,80 € für den Liter Super berappen muss, dann denke ich mir, dass ich damals ja fast schon auf hohem Niveau jammerte. Shame on me! Aber damit nicht genug!
 
Dann muss ich mir noch in Dauerschleife von der klassischen Bourgeoisie der Bessermenschen anhören, dass man Pflegenden doch bitte eine Impfpflicht auferlegen sollte und dass diese ohnehin nur wegen Ungeimpften keine Lust mehr auf ihren Job haben. Frage an eben diese Bourgeoisie: Wie realitätsfern, borniert und arrogant kann man eigentlich sein? Welche gewaltige Hybris umgibt einen, wenn man so eine gequirlte Scheiße gebetsmühlenartig in die Welt posaunt? Aber dann beginne ich mich selbst zu rügen und frage mich, warum ich immer noch so naiv bin zu glauben, dass es der Bourgeoisie tatsächlich ums Allgemeinwohl und konstruktive Veränderungen geht?
 
Wie immer geht es nur um die Abwertung anderer – zur Selbstaufwertung! Jeder Tweet gegen die impfunwillige Schwester Ilona scheint wertvoller zu sein als drei Tage Lagern, Waschen und Dekubitus-Prophylaxe. Ihr braucht ein Feindbild, das ihr im Kollektiv fertig machen könnt – am besten digital aus der queerfeministschen WG heraus. Chapeau!
 
Da mir erst heute wieder mitgeteilt wurde, dass ich ja selbst nur pöble und spalte, jedoch keine konstruktiven Lösungsansätze einbringe, möchte ich nun zumindest einen Lösungsansatz liefern. Ich bin dafür, dass ein mehrmonatiger sozialer Dienst (analog zum einstigen Zivildienst, den ich noch absolvieren musste) wieder eingeführt wird. Da selektive Pflichten wieder hoch im Kurs stehen, würde ich diesen aber nicht von jedem verlangen. Ich bin dafür, dass dieser Dienst nur von Leuten erbracht werden muss, die beabsichtigen, nutzlosen Quatsch wie Gender Studies, Kulturwissenschaften oder Soziologie zu studieren. Warum? Zum einen, weil es egal ist, ob man diese Studiengänge mit 23 oder 51 abschließt, zum anderen, weil sich Absolventen von eben diesen Studiengängen in der Regel als das Epizentrum von Menschenliebe, Humanismus und Solidarität promoten. Warum also nicht mal in der realen Welt damit anfangen und erst danach zum theoretischen Gutmensch avancieren? Vielleicht kommt man ja nach 5, 6, 7 oder 8 Monaten Dienst im Krankenhaus zu der Erkenntnis, dass dieser Job die persönliche Bestimmung respektive Berufung ist. Ergo: Pflegemangelproblem gelöst!
 
Allerdings bin ich da eher pessimistisch, denn die Bezahlung ist mies, das Stresslevel hoch, die Arbeitszeiten gewöhnungsbedürftig. Aber am Schlimmsten: Mann kann seine Leistung nicht via Klick teilen, um dafür virtuelle Herzen von Quattromilf, Marcus Mittermeier und Volksverpetzern zu erhalten.

 
Quelle: twitter.com/lobbybach / threadreaderapp.com/thread/1458451957211963399.html

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