Schönes Wochenende

Auf den Ohren: Kommissar Wallner und Jerry Cotton
 
Juni/Juli waren Krimi-Monate
 
Kommissar Wallner
 
In den letzten Wochen hatte ich etwas weniger Zeit fürs hörbuchen, da ich vermehrt Podcasts hörte. Pflicht war aber das aktuelle Hörbuch „Totholz“ von Andreas Föhr.
 
Seinen ersten Roman „Der Prinzessinnenmörder“ hatte ich 2015 für ein halbes Guthaben gekauft und schon seit Ewigkeiten auf meinem SuH (Stapel ungehörter Hörbücher). Aber irgendwie kamen mir immer wieder andere, bekanntere Bücher dazwischen. Bis zum Januar dieses Jahres.
 
Nach dem Hören war ich angefixt und zwar richtig. Zu dem Zeitpunkt gab es 10 Hörbücher; die restlichen 9 kaufte ich in Rekordzeit nach.
 
Dazu sei gesagt, dass man Krimis mit Lokalkolorit mögen muss, in diesem Fall bayerischen. Da ich jedoch die Bayern und auch deren Sprache mag (ich lebte mal dort und hatte auch einen bayerischen Arbeitgeber), kam mir das entgegen.
 
Hauptkommissar Clemens Wallner lebt im beschaulichen Miesbach. Allerdings ist der Ort nur oberflächlich beschaulich, denn es gibt jede Menge Kriminalfälle zu klären. Da er unverheiratet ist, lebt er mit seinem Großvater Manfred zusammen. Wallner ist eine ausgemachte Frostbeule, was ihn veranlasst, 8 bis 9 Monate im Jahr eine dicke Daunenjacke zu tragen – meistens hochgeschlossen. Die gelegentlichen spöttischen Bemerkungen seines Umfeldes dazu lässt er stoisch über sich ergehen.
 
Der zweite Protagonist ist Polizeiobermeister Leonhardt „Leo“ Kreuthner, auch „Leichen-Leo“ genannt. Den Spitznamen bekam er, weil er immer wieder zufällig über Ermordete an den unmöglichsten Orten stolpert. Wo Wallner sehr darauf bedacht ist, dass alles immer seine Ordnung und Richtigkeit hat, ist Kreuthner ein Hallodri wie er im Buche steht. Vorschriften und Gesetze legt er recht großzügig aus. Da er aber auch ein guter Kriminalist ist, drückt Wallner bei Verstößen öfter beide Augen plus Hühneraugen zu.
 
Das Stamm-Team um Wallner besteht aus seinem Stellvertreter Mike, der Kommissarin Jeanette, den beiden Spurensicherern Tina und Oliver und dem stets ungeduldigen und nervigen Staatsanwalt Jobst Tischler.
 
Im „Team Kreuthner“ befinden sich Kreuthners Kollege Sennleitner, der Schrotthändler Johann Lintinger und sein Sohn Harry. Ein paar Bücher später gesellen sich noch der IT-Nerd Norbert „Der Dude“ Petzenberg plus drei Mit-Nerds sowie Kreuthners ehrgeiziger und missgünstiger jüngerer Kollege Greiner hinzu. Bis auf letzteren bewegen sich Kreuthners Kumpels auch des Öfteren an der Grenze der Legalität.
 
Autor Andreas Föhr ist gelernter Jurist und Anwalt und verfasste zusammen mit Thomas Letocha Drehbücher für das Fernsehen (u.a. für „Die Rosenheim-Cops“, „Ein Fall für zwei“ und „Der Bulle von Tölz“). Dann kreierte er das Kriminalisten-Duo Wallner und Kreuthner und verlegte sich aufs Schreiben.
 
Viele seiner Geschichten erzählt er auf mehreren Zeitebenen. Die Plots sind logisch und bergen auch so manche Überraschung. Die Auflösungen sind nachvollziehbar, wenn auch hin und wieder ein klein wenig konstruiert – was dem Hörvergnügen aber keinen Abbruch tut. Gewürzt ist das Ganze mit einer ausgewogenen Prise – teils schwarzem – Humor. Ab und zu greift Andreas Föhr gesellschaftskritische Themen auf, allerdings nie wertend.
 
Herrlich skurril sind die Szenen mit Wallners Großvater Manfred. Ihn hat Andreas Föhr meines Erachtens am liebevollsten porträtiert. Obwohl in einem schon fast biblischen Alter, sind seiner Spontanität nur körperliche Grenzen gesetzt. Einen indianischen Schamanen oder einen Blaublüter darstellen? Manfred setzt solche Vorhaben mit Begeisterung um, sehr zum Bedauern seines Enkels.
 
Sehr wichtig für mich sind die Sprecher von Hörbüchern. Michael Schwarzmaier passt zu Wallner-Krimis wie Holmes zu Sherlock. Und obwohl er Baujahr 1940 ist, hört man ihm sein Alter nicht im Mindesten an.
 

Hoffentlich bleibt er uns als Sprecher noch lange erhalten.
 
Die Kommissar-Wallner-Krimis sind eine Ausnahmeerscheinung auf dem deutschen Büchermarkt. Vergleichbar höchstens noch mit der Nemez-und-Sneijder-Reihe von Andreas Gruber. Dazu im Herbst mehr, wenn sein neues Hörbuch auf den Markt kommt.
 
Cotton reloaded
 
Die rund dreistündigen Jerry-Cotton-Reloaded-Romane passten in den letzten Wochen gut in meinen Tagesplan, da alle eine Laufzeit von circa drei Stunden haben. Ein Hörbuch beinhaltet meist drei Krimis; erhältlich sind sie für 1/2 Guthaben oder den halben Preis (3,95 €. Insgesamt gibt es 50 Romane, die man in 17 Sammelbänden kaufen kann.
 
1954 erschien der erste Heftroman im Bastei-Verlag. Und man mag es kaum glauben, aber aktuell wurde Band 3501 „Madame Marbles Rückkehr“ veröffentlicht. Jerry Cotton hat also eine ähnlich eingefleischte Fan-Gemeinde wie Perry Rhodan, die generationenübergreifend ist. Es gibt auch einige Taschenbücher, die ich allerdings auch nicht gelesen haben. Dafür kenne ich die Filme aus den 60ern (stehen auf Youtube kostenlos zur Verfügung).
 
Die Jerry-Cotton-Filme sind – wie nicht anders zu erwarten – einfach gestrickt. Die Männer sind „mucho macho“, die Frauen laszives oder kreischendes Beiwerk. Bis auf eine: Die war ziemlich taff und für die damalige Zeit ungewohnt emanzipiert. Philipp „Phil“ Decker ist mehr sympathischer Stichwortgeber als Partner, was mich ein wenig an Felix Leiter in den James-Bond-Filmen erinnerte. Ich dachte also, der Verlag würde nur die Vorlage modernisieren.
 
Pustekuchen!
 
Die Krimis sind von unterschiedlicher Qualität, was bei unterschiedlichen Autoren zu erwarten ist. Sie schwanken zwischen „gut“ und „so dumm kann doch nun wirklich niemand sein“. Eine einzige Katastrophe sind jedoch die Hauptdarsteller – als hätte der Verlag die Parole „Bitte genau das Gegenteil schreiben!“ ausgegeben.
 
Aus dem erfahrenen Agenten Jerry Cotton wurde der Grünschnabel Jeremiah Cotton; aus „engagiert und impulsiv“ wurde „übereifrig und unüberlegt“. Jeder darf auch mal auf dem Neuen herumhacken. Ob zu recht oder unrecht – egal!
 
Die Schlimmste von allen ist seine Partnerin Philippa Decker, die älter als Cotton und daher erfahrender ist. Das lässt sie ihren jüngeren Partner auch ständig spüren. Aber damit nicht genug: Es gibt kaum eine Szene mit den beiden, bei dem diese Chauvi-Bitch nicht herumzickt (passt aber hervorragend zu dem neuen „feministischen“ Zeitgeist). Ein Audible-Kommentator brachte es auf den Punkt: „Decker, eine zickige Quotenfrau?“
 
Die Nebenfiguren sind auch nicht besser.
John D. High, der „Special Agent in Charge“: ist unnahbar, verzieht keine Miene, maßregelt laufend, lobt so gut wie nie.
Die Forensikerin Sarah Hunter: benimmt sich ähnliche zickig wie Decker.
Steve Dilaggio, der dritte Agent. Anscheinend soll der den Konterpart zu Philippa „Ich habe einen Stock im Hintern“ Decker darstellen: schlampig, unpünktlich, ohne Manieren und flapsig bis knapp an die Grenze zur Respektlosigkeit.
Die einzige wohltuende Ausnahme ist der IT-Spezialist Zeerokah, genannt Zeery.
 
Bei Krimis, insbesondere bei „Groschenheftchen“, muss nicht immer alles superlogisch sein. Wenn eine Geschichte spannend ist und die Protagonisten sympathisch sind, ignoriere ich sowohl den einen oder anderen Bruch als auch „Scherenschnitt“-Protagonisten. Bei der Reihe ist leider zu oft beides der Fall. Vier von 21 Krimis habe ich sogar abgebrochen, weil die Geschichte und das unerträgliche Verhalten der Protagonisten selbst ein Verbrechen war: Das Stehlen von Lebenszeit.
 
Der Sprecher Tobias Kluckert ist u.a. die Synchronstimme von Gerard Butler, Bradley Cooper, Liev Schreiber, Nathan Fillion (Castle) sowie Karl Urban (Dr. Leonard „Pille“ McCoy aus „Star Trek“) und macht seine Sache recht gut. Bei den ersten Krimis „leiert“ er ein bisschen, was aber von Hörbuch zu Hörbuch besser wird. Er war oft der Grund, dass ich ein Hörbuch nicht abgebrochen hatte.
 
Bei Audible vergaben die Hörer zwischen 4 und 4,5 Sterne. Bei mir gibt’s 2,5. Wegen des Preises, der teils guten Geschichten und dem Sprecher. Kaufen würde ich mir die Reihe allerdings nicht mehr.
 
Schönes Wochenende

 

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