Schönes Wochenende

Auf den Ohren: Sebastian Bergmann
 
Im April/Mai habe ich mich durch 8 Sebastian-Bergman-Bücher gefräst.
 
Sebastian Bergman ist Psychologe und ein Ekelpaket: promiskuitiv, selbstsüchtig, brutal offen bis hin zur Unhöflichkeit, und sehr von sich eingenommen. Allerdings leidet er auch an einem Trauma, weil bei dem Tsunami-Unglück 2004 in Thailand seine Frau und seine kleine Tochter umkamen. Am Tod seiner Tochter gibt er sich die Schuld, was ihn jede Nacht Albträume beschert.
 
Berühmtheit erlangte er mit der Aufklärung eines Serienmordes und einem daraus resultierenden Bestsellers, was aber schon ein paar Jahre her ist. Er selbst schwankt zwischen „Ich bin der Größte“ und annähernder Selbstzerfleischung, wenn er einen Fehler begeht. Was ihn jedoch nicht davon abhält, permanent über andere zu ätzen, wenn diese Fehler begehen.
 
Unglaubwürdig wurde er in meinem Augen, als er (s)eine Stalkerin Ellinor Bergkvist bei sich leben ließ und sie sogar irgendwie als „Bereicherung“ empfand. Auch wenn er am Ende der „Beziehung“ behauptet, sie sei für ihn nur so etwas wie eine Hausangestellte, mit der er auch ins Bett gehe. Die sorgt in Band 2 für einen Eklat und einen Cliffhanger, sitzt ab Band 3 im Gefängnis, wird in Band 8 mit Auflagen freigelassen und sorgt prompt für einen erneuten Cliffhanger.
 
Die anderen Protagonisten sind die Ermittler der Reichsmordkommission in Stockholm: Der Leiter Torkel Höglund, die Tatortanalytikerin Ursula Andersson, der „weibliche Lügendetektor“ Vanja Lithner und der Computerspezialist Billy Rosén. Im Gegensatz zu anderen Krimis/Thrillern nimmt das Privatleben der Protagonisten viel Raum ein. Wenn man wissen will, wie es mit dem Privatleben der Protagonisten weitergeht, muss man zwingenderweise den nächsten Band kaufen.
 
Die ersten beiden Bände sind mehr oder weniger „normale“ Krimis, wobei in Band zwei Sebastian Bergmans Promiskuität ausführlich thematisiert wird. Ab Band drei gibt es meist ein zentrales gesellschaftliches Thema: Migration, Umweltschutz, (Social) Media, Verdummung der Gesellschaft, BDSM und Mobbing.
 
Was ich im Laufe der Zeit nervig, weil irgendwann vorhersehbar fand, ist die politisch korrekte Korrektheit (nein, das ist kein Schreibfehler) der Autoren. Migranten sind generell gut integriert und fleißig; Polizisten oft unfähig, dumm oder faul. Rassismus, Nazis, BDSM, Mandelmilch, gesellschaftlich nicht anerkanntes Schwulsein: Es gibt kaum etwas, das nicht zumindest in einem Nebensatz erwähnt oder indirekt be- bzw. verurteilt wird.
 
Ermüdend fand ich auch, dass sich das Leben der Protagonisten zwar ständig ändert, sie sich aber nicht weiterzuentwickeln scheinen – zumindest habe ich diesen Eindruck. Das passt zwar zum wahren Leben (sich ändern ist nun mal schwierig), aber in Romanen finde ich das langweilig. Logisches Resultat: Die Konsequenzen dieses „Nichtlernens“ sind ab einem bestimmten Zeitpunkt ebenfalls vorhersehbar.
 
Was mich zusätzlich nervte, war, dass mit „fulminanten“ Enden einige Geschichten künstlich verlängert werden: Den „Bösen“ gelingt dabei so gut wie alles; den „Guten“ so gut wie nichts. Dazu kommen teilweise fahrlässige bis absurde Reaktionen der Protagonisten, die „den Bösen“ zusätzlich in die Hände spielen. Das ist in 08/15-Baller-Action-Haudrauf-Romanen wie „Jack Reacher“ okay, bei Krimis oder Thrillern kann ich darauf jedoch gut verzichten. Möglicherweise bin ich aber auch nur von Autoren wie Jo Nesbø (Harry Hole), Jussi Adler-Olsen (Carl Mørck – Sonderdezernat Q) oder Andreas Gruber (Sneijder und Nemez) verwöhnt.
 
Man merkt den Autoren an, dass sie Drehbuchautoren sind (die ersten beiden Bücher wurden auch schon verfilmt): Ständige Perspektivenwechsel sorgen für Abwechslung und trotz vieler Wendungen verliert man bei den Fällen nie den Faden. Diese sind interessant und bis zum Ende weiß man – bis auf eine Ausnahme – nicht, wer der oder die Täter sind.
 
Die Bücher hatte ich gekauft, weil sie alle gut bis sehr gut bewertet sind. Manche Leser bezeichnen die Serie auch als „Kult“ oder beschreiben sie als „gehört ohne Übertreibung zum Besten, was es in diesem Genre zu lesen gibt“. Nun ja, auch Sebastian Fitzek wird von seinen Fans ähnlich vergöttert. Mit dem kann ich jedoch seit „Passagier 23“ auch nichts mehr anfangen. Die Geschmäcker sind nun mal verschieden.
 
Durch den Cliffhanger in Band 8 (2023) steht schon fest, dass es auch einen Band 9 geben wird – den ich allerdings nicht kaufen werde.

 

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