Edition F: Das digitale Zuhause für „starke“ Frauen

Per Zufall stolperte ich kürzlich über Edition F, das „digitale Zuhause für starke Frauen“. Normalerweise mache ich einen großen Bogen um feministische Seiten; das klang jedoch interessant, weswegen ich mir drei Artikel herauspickte.

  1. „Frauen sind einfach zu blöd, um Karriere zu machen“ von Lydia Krüger1
  2. „Überraschung! Auch 2017 sind die Männer in deutschen Vorständen unter sich“ von Helen Hahne2
  3. „Wir brauchen keine Work-Life-Balance, sondern flexible Arbeitsmodelle!“ von Janine Tychsen 3

Inhalt, oder besser gesagt Zielscheibe, des ersten Artikels ist ein Interview mit Dr. Bernd Slaghuis auf der Webseite „Business Ladys“. Titel: „Frauen tun sich mit dem Karrierestart schwerer als Männer“. Dr. Slaghuis betreibt auch einen eigenen Blog, den Lydia Krüger eigentlich schätzt. Eigentlich! Dummerweise vertritt er in diesem Interview eine Meinung, die so gar nicht in ihr Weltbild passt. Er schreibt unter anderem:

 

Es mag aus meinem Mund als Mann hart klingen, aber ich denke, es ist an der Zeit, dass Frauen als Bewerberin ihre sicherlich früher stattgefundene Benachteiligung endlich aus den Köpfen streichen und selbstbewusst sowie vor allem authentisch mit ihren männlichen Mitbewerbern als Frau auf Augenhöhe auftreten.

 

In Lydias Augen ist das typisches Mansplaining.

 

Danke, Dr. Slaghuis, dass Sie die Gleichstellung der Frau mal eben für durchgesetzt erklärt haben. Frauenbewegung, zusammenpacken! Ich schlage gleichzeitig vor, dass alle anderen systematisch benachteiligten Gruppen wie Kranke, Behinderte, Schwarze, LGBTI usw. auch mal endlich ihre berufliche und gesellschaftliche Benachteiligung aus den Köpfen streichen. Wäre dann ein Aufwasch.

 

Statt sich sachlich mit Dr. Slaghuis‘ Standpunkt auseinanderzusetzen, greift Lydia zu Polemik und vergleicht zum Schluss auch noch Äpfel mit Birnen. (Böse Zungen unterstellen, das sei typisch Frau. Der geneigte Leser wird so etwas auf diesem Blog natürlich nie zu lesen bekommen. Also … nicht oft … egal!) In diesem Tenor gehen die „Beanstandungen“ weiter und enden mit den Worten:

 

„Ich will eure doofe Karriere* nicht.“

 

Als ich das las, sah ich Lydia vor meinem geistigen Auge mit dem Fuß aufstampfen. Keine Ahnung, wieso.
 
Es folgen 12 Gründe, warum Lydia keine „doofe Karriere“ will:

  • In Hierarchien wird man fremdgesteuert
  • Keine Lust, im Job eine Maske zu tragen
  • Mansplaining
  • Arbeitsleben als ständiger Kampf
  • Kreativität, Fantasie, Eigeninitiative und Werte werden pauschal verkauft
  • 130-, 80- oder 60-Stunden-Woche
  • Stundenlange Meetings in unbequemen Business-Outfits in eiskalt klimatisierten Konfis mit Leuten, zu denen man keine innere Verbindung hat
  • Abschreckender blutleerer Business-Bullshit
  • Keine Arbeit (oder gar Karriere) als Lebensinhalt
  • Mehr Zeit zum Lesen und Experimentieren haben
  • Nur sinnvoll arbeiten
  • Ein ganzheitliches, in sich ausgewogenes Leben leben

Lydia schließt mit dem Einstein-Zitat „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein“ und der Frage:

 

„Vielleicht sind Frauen einfach die schlechteren Schafe?“

 

Da kann Lydia beruhigt sein: Das sind sie nicht. Allein die Existenz des Neo-Feminismus‘ und seiner JüngerO_Oinnen beweisen das.
 
Im zweiten Artikel beklagt sich Helen Hahne, dass die Frauenquote in 76% aller Vorstandsetagen immer noch nicht erfüllt ist. Schuld sind ausnahmsweise nicht die Männer, sondern die Politik.

 

Die Politik hätte 2017 die Chance deutliche Zeichen zu setzen, zum Beispiel wenn einfach mal – total verrückt – zwei große Volksparteien eine weibliche Kanzlerkandidatin aufstellen würden, aber so weit reicht das Quoteninteresse der Partei der Bundesfamilienministerin dann wohl doch nicht.

 

Mein erster Gedanke war: „Das kann jetzt nicht ihr Ernst sein!“ Die Frage, ob die SPD überhaupt eine (qualifizierte) Spitzenkandidatin hat oder nicht, kommt ihr anscheinend überhaupt nicht in den Sinn. Hauptsache, die Quote wird erfüllt. (Womit wieder mal meine Überzeugung bestätigt wird, dass viele Feministinnen nicht weiter denken als von zwölf bis es läutet.)
 
Im dritten Artikel kann Janine Tychsen mit Work-Life-Balance nichts anfangen, weil sie es „persönlich schwierig findet, Privat- und Berufsleben scharf zu trennen“.

 

Ich liebe es zu arbeiten. Noch nie hatte ich ein Problem damit, auch außerhalb der offiziellen Arbeitszeit zu arbeiten, vorausgesetzt ich empfinde meinen Job als erfüllend, herausfordernd, wertschöpfend. Mein Gleichgewicht ist hergestellt, wenn ich einer bestenfalls leidenschaftlichen Arbeit nachgehe und gar nicht merke, dass es Arbeit ist. Und wenn ich sie verrichten kann, wann und wo ich möchte. […] Aber ich fühle, dass das 9-to-5-Modell, indem ich seit über 20 Jahren mit allen Vor- und Nachteilen tätig bin, immer herausfordernder für mich wird. […] Mich machen diese starren Arbeitszeiten auf Dauer nicht glücklich. Ich möchte auch als Angestellte frei sein, wählen können. Mal hier arbeiten, mal dort. Mal früh am Morgen, mal mitten in der Nacht.

 

Das stelle man sich im Einzelhandel, Logistik-Abteilungen oder Sicherheits-Diensten vor. Es sei denn, Janine sieht das mehr als Zukunftsmodell für Medien-, Sozial- und Politikwissenschaftlerinnen. Das würde dann wieder Sinn machen. Für diesen Traumjob hat Janine auch schon die passenden Vorbilder gefunden.

 

Die jungen Talente in all den Startups machen es uns vor – und das sehr erfolgreich. Sie setzen auf ihre eigene Arbeitskraft, mit der sie ganz allein haushalten. Und wenn das einem Unternehmen nicht passt, ziehen sie weiter, mit guten Gewissen, in Balance mit dem Job und dem eigenen Leben.

 

Dass es ausgerechnet Startups sind, irritiert mich etwas. Wollte Janine nicht angestellt bleiben? Oder sieht sie Startups als Arbeitgeber der Zukunft? Fragen über Fragen. Es scheint auch entweder irrelevant zu sein (oder ist noch nicht bis zu Janine durchgedrungen), dass viele Startups bereits nach kurzer Zeit Insolvenz anmelden, aber wen kümmern schon unwichtige Details, wenn man das Ideal einer besseren Zukunft vor Augen hat.
 
Fazit: Edition F ist für mich kein „digitales Zuhause für starke Frauen“, sondern eine virtuelle Klagemauer für Frauen, die nicht mit der Realität klar kommen. Dass alle drei Autorinnen „was mit Medien“ machen, hat mich daher nicht sonderlich überrascht.

  • Lydia Krüger ist Bloggerin, Spieleautorin, Verlegerin, Onlinehändlerin, Journalistin, Texterin, Lektorin und Autorin
  • Helen Hahne hat in Hamburg Politikwissenschaften studiert, war Anfang Mai bis Ende Juli 2016 Praktikantin bei Edition F und ist seit Mitte September dort Volontärin
  • Janine Tychsen arbeitet bei der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren im Bereich Kommunikation und Medien

 
Quellen:
1 https://editionf.com/Frauen–zu-bloed-fuer-die-Karriere
2 https://editionf.com/Frauenquote-1-Jahr-Bilanz
3 https://editionf.com/Macht-Work-Life-Balance-wirklich-gluecklich

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